2014_07_03-Nein-Stimme-zum-MiLoG

Falsches Signal für Berufsbildung – Deshalb habe ich gegen den Mindestlohn gestimmt

Bei der heutigen Abstimmung über das Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie (Mindestlohngesetz) stimmte der Leipziger Bildungspolitiker Dr. Thomas Feist, MdB (CDU) gegen den Entwurf der Bundesregierung.

„Kernpunkt meiner Kritik ist die Schwächung der Attraktivität der Aufnahme einer dualen Berufsausbildung für Jugendliche. Diese sollen laut Gesetz bereits ab dem Alter von 18 Jahren und ohne erste Berufsqualifizierung den Mindestlohn bekommen. Das setzt massive und irreparable Fehlanreize zur Entscheidung gegen eine Ausbildung und für einen unqualifizierten Job. Die Lebenschancen der Jugendlichen werden damit deutlich vermindert. Gerade für Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Verhältnissen ist dies eine Gefahr, da sie eher die finanziell kurzfristig bessere Variante wählen, um finanziell „auf eigenen Füßen zu stehen“ oder ihre Familie zu unterstützen. Aus der richtigen Absicht wird hier erst ein individuelles, absehbar aber ein gesamtgesellschaftliches Problem. Eine Anhebung der Altersgrenze oder zumindest eine Koppelung des Mindestlohnes an eine Mindestqualifizierung hätte dem vorgebeugt, doch sind diese Vorschläge leider nicht aufgenommen worden“, äußert sich Feist

Nachfolgend findet sich der Text der persönlichen Erklärung von Dr. Feist, der auch im Abstimmungsprotokoll zu finden ist:

Erklärung zur Abstimmung nach § 31 Abs. 1 Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages

TOP 4. a)       

–   Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Tarifautonomie (Tarifautonomiestärkungsgesetz)

     Drucksache 18/1558

     Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales (11. Ausschuss)

     Drucksache 18/2010

–   Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

     Drucksache 18/2011

Ich stehe zum Koalitionsvertrag und hätte daher dem Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie gern zugestimmt. Ich gönne den Beschäftigten, die von der Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns profitieren werden, diesen hart erarbeiteten Lohnzuwachs in vollem Maße. Ich sehe dabei jedoch auch die Gefahr dass die Einführung des flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns zu massiven Arbeitsplatzverlusten in Ostdeutschland führen könnte.

Ich hätte das Gesetz für vertretbar gehalten, wenn durch seine Inkraftsetzung weder negative Effekte auf dem Arbeitsmarkt noch im Ausbildungssektor zu erwarten wären. Während eventuell negative Effekte auf den Arbeitsmarkt in der für 2017 vereinbarten Evaluation korrigiert und behoben werden können, gilt dies für den Fehlanreiz junger Menschen zur Aufnahme einer ungelernten Beschäftigung zu Lasten einer beruflichen Ausbildung nicht in gleicher Weise.

Die Einführung des Mindestlohns ab 18 Jahre für Jugendliche ohne abgeschlossene Berufsausbildung ist ein solcher Fehlanreiz, der vor allem Jugendliche, die aus bildungsunerfahrenen Familien stammen, verleiten wird, einen Anlern-Job anzunehmen, statt eine berufliche Ausbildung zu durchlaufen. Zwar verdienen sie zunächst etwa das Doppelte wie Auszubildende. Auf ein Erwerbsleben bezogen bekommen sie allerdings rund ein Drittel weniger und ihr Arbeitslosigkeitsrisiko ist um das Vierfache erhöht. Der durchschnittliche Ausbildungsanfänger ist knapp 20 Jahre alt. Drei Viertel der Jugendlichen, die eine Ausbildung beginnen, sind 18 Jahre und älter. Insgesamt sind schon heute über 300.000 unter 25-Jährige sozialversicherungspflichtig beschäftigt, die sich weder in Ausbildung befinden noch über eine abgeschlossene Ausbildung verfügen. Es kann nicht in unserem Interesse liegen, dass sich diese Zahl erhöht.

Das Gesetz wird durch diese Fehlsteuerung die starke duale Ausbildungslandschaft in Deutschland über ein erträgliches Maß hinaus schwächen, und zwar langfristig und voraussichtlich irreparabel. Dies ist nicht nur meine persönliche Meinung, sondern wird ausdrücklich und einstimmig von den bildungspolitischen Sprechern der CDU/CSU-Landtagsfraktionen geteilt. Die von mir als zuständigem Berichterstatter der Fraktion formulierte Position der AG Bildung, die eine Anhebung der Altersgrenze für Jugendliche ohne Ausbildung im geplanten Mindestlohngesetz für unumgänglich hält bzw. fordert, dass Mindestlohn eine Mindestqualifikation im Sinne einer beruflichen oder akademischen Ausbildung voraussetzt, wurde am 4. April 2014 in einer gemeinsamen Sitzung der AG Bildung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion mit den bildungspolitischen Sprechern der CDU/CSU-Landtagsfraktionen in einer gemeinsamen Erklärung verabschiedet. Der Freistaat Sachsen forderte im Antrag 841. AS / TOP 5 / SN im Deutschen Bundesrat, die Altersgrenze für Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung zumindest auf 25 Jahre anzuheben. Mit dieser Regelung, die einen Kompromiss darstellt, wäre es mir eher möglich gewesen, dem Gesetz zuzustimmen. Leider wurde diesem Punkt nicht stattgegeben.

Von vorn herein wurde seitens der SPD signalisiert, dass bei der Verschiebung der Altersgrenze oder der von mir in die Diskussion eingebrachten Forderung „Mindestlohn braucht Mindestqualifikation“ keine Gesprächsbereitschaft besteht. Die Bezugnahme des Gesetzentwurfes hinsichtlich der Altersgrenze von 18 Jahren nimmt fälschlicher Weise Bezug auf das Jugendarbeitsschutzgesetz. Diese Begründung ist irreführend, hat doch dieses Gesetz eine völlig andere Schutzrichtung. So sollen die dort verankerten Beschäftigungsverbote Gesundheit und Leben der Jugendlichen bei der Arbeit schützen. Damit ist aber nichts über das Alter ausgesagt, das als angemessener Anknüpfungspunkt für eine Lenkung hin zur Aufnahme einer Ausbildung dienen kann.

Die Festsetzung der Altersgrenze auf 25 Jahre wäre ein angemessener Kompromiss gewesen, wenn ich auch weiterhin dazu stehe, dass ein mit dem Mindestlohn verbundenes Anreizsystem für das Erreichen einer abgeschlossenen Erstausbildung der bessere Weg ist. In der Begründung zum Gesetzentwurf der Bundesregierung wird zur Altersgrenze mit 18 ausgeführt, dass typischerweise von jungen Menschen nach Abschluss der Sekundarstufe 1 wichtige Weichen für ihren späteren beruflichen Werdegang gestellt werden. Allerdings entspricht es nicht der Lebenswirklichkeit, für die Typisierung auf eine Altersgrenze von 18 Jahren abzustellen. In 2013 lag der durchschnittliche Ausbildungsbeginn bereits bei 20,1 Jahren – bei steigender Tendenz. Über die Hälfte der Auszubildenden war beim erfolgreichen Abschluss der Ausbildung älter als 22 Jahre. Typischerweise wird somit die Entscheidung über eine Berufsausbildung aktuell wesentlich später getroffen als mit 18 Jahren.

Auch wenn hinsichtlich der Ausnahmetatbestände für Praktikanten und Studenten an den Berufsakademien im vorliegenden Gesetz wesentliche Verbesserungen erreicht wurden, die ich durchaus anerkenne, ist hinsichtlich der Aufhebung oder zumindest der Verschiebung der Altersgrenze von 18 Jahren und einer damit einhergehenden Vorbeugung gegenüber den genannten Fehlanreizen ein für mich zentraler Punkt im Gesetz nicht geändert worden. Ich kann daher dem Gesetz nicht zustimmen.